die Frage: Kunst und Kultur statt Marketing und Kennzahlen?

21.12.2016

Benedikt Stegmayer, Leiter Kulturamt Esslingen

„Selbstverständlich lassen sich Kulturziele mit Kennzahlen messen, quantitativ und qualitativ. Kundenzufriedenheit oder Besucherzahlen sind erhebbar und messbar, werden dem Anspruch aktueller, komplexer und oftmals schwieriger Kunstformen jedoch selten gerecht. Neue Kennzahlen wie Qualität müssen eingeführt werden.

Auch Marketing ist ein wesentlicher Teil der Kulturvermittlung, mit dem Unterschied, dass nicht das Produkt nach einer Marktanalyse an den Kunden angepasst werden muss, sondern der Kunde an das Produkt. Damit ist die Befähigung möglichst aller Menschen zur kulturellen Teilhabe gemeint. Dies ist eines der Kernziele von Kunst und Kultur, die damit eine Doppelfunktion haben: Sie machen ein Angebot und liefern gleichzeitig das Instrument, dieses zu (be)nutzen.

Ein aktueller Trend und eine beängstigende Entwicklung ist derzeit die Wirksamkeit marktgängiger, durch Marketingstrategien, Vereinfachung und Meinungsmanipulation erzeugter Massenkultur, die das Feld besetzt, gezeigt, gekauft, gesammelt und reproduziert wird. „Likes“ und „Do not Likes“ als Feedbackschleifen im Internet, meist wenig reflektierte, kaum auf begründeten Urteilen und Vergleich basierende Bewertungen, sind deren Symptom.

Auf Inhalt oder Wertevermittlung basierende Kunst hat es dagegen schwer. Kunst und Künstler*innen, die dieses Risiko jenseits eines Marktes eingehen, sind daher förderungswürdig, weil sie Ziele verfolgen, die innerhalb der Kunst liegen und nicht außerhalb mit Blick auf Verkaufszahlen. Natürlich wäre es schade, wenn diese kompromisslose Kunst nur einer Elite oder den Experten zugänglich wäre. Daher müssen zuerst die Leistungen der Kunst definiert werden, die zugleich ihre Ziele sind, um dann ihre Vermittlung zu intensivieren. Kunst beobachtet gesellschaftliche Prozesse, ist eine kritische Instanz, bildet die Welt ab, macht sensibel für soziale Unterschiede, zeigt Gut und Böse, dessen Zweifelhaftigkeit und Komplexität. Sie verunsichert über eindimensionale Lösungen und ist die Grundlage eines Wertesystems. Es wäre ein unwiderbringlicher Verlust, dieses Gut ökonomischen Überlegungen zu opfern. Kultur ist unsere Zukunft.“