die Frage: Welche Macht haben Marken und Influencer heute?

23.03.2017

Immer noch sprechen wir vom Mobile als wäre es ein Telefon oder Gerät, das man an- und ausschaltet. Immer noch sprechen wir von “online” und “offline” als wären es Aktivitäten, die wir auch sein lassen könnten. Doch mit jeder neuen Technologie ist unsere Kommunikation visueller geworden, verbringen Nutzer mehr und mehr Zeit mit  Visuals und mit ihren digitalen und mobilen Geräten, die, pointiert gesagt, zu unserem zweiten Gehirn werden. Das Internet ist Mobile. Online ist Mobile. Und je jünger Nutzer heute sind und je intuitiver digitale und mobile Technologie verwenden, desto weniger macht es Sinn, von “offline” Zeit zu sprechen.[1]

Konventionelle lineare Massenkommunikation transformiert in disruptive non-lineare, mit einem Begriff von Manuel Castells, “Massen-Selbst-Kommunikation”, in der wir in Echtzeit und winzigen mobilen Screens interagieren und kommunizieren. Personalisierung spielt eine immer gewichtigere Rolle, und nicht allein, weil es technisch möglich wird, Datenströme und Inhalte zu personalisieren oder Nutzer per Augmented Reality personalisierte immersive Erfahrungen zu ermöglichen. Sondern auch, weil Menschen sich immer und überall für andere Menschen und für andere menschliche Stimmen interessieren. Wir können daher Influencer – für den Moment – als menschliche Filter und Guides verstehen, die die unfassbare Menge an digitalen und mobilen Inhalten und Interaktionen, filtern, personalisieren, vernetzen, weiter voran treiben, und so sichtbar machen – in Sozialen Medien.

Persönlichkeiten, Influencer sind in Sozialen Medien gewichtig, spielen eine wichtige Rolle für Nutzerorientierung und Aufmerksamkeitsökonomie in Sozialen Medien. Das gilt im Marketing genauso wie im Journalismus. Eine neue Umfrage unter 130 Journalisten zeigt[2], dass Journalisten heute mit Nutzern direkt interagieren und Nutzer zunehmend journalistischen Persönlichkeiten folgen und nicht einer bestimmten Publikation. Professionelle Storyteller, Nachrichten und Brands konkurrieren nicht mehr gegeneinander, sondern gegen mehr als eine Milliarde Mobile Nutzer weltweit, die Stories, Inhalte und Videos “wie im Flug” mit hoher technischer Qualität produzieren und teilen. Aber das, was Inhalte herausragen und im Gedächtnis bleiben lässt, ist die Geschichte, die Nutzer erleben. Alles hängt in den Sozialen Medien davon ab, wie gut eine Geschichte ist, wie “wahr” – das heißt, glaubwürdig und verifiziert – und emotional ansprechend sie ist.

Die herausragende Möglichkeit, Tiefe und Glaubwürdigkeit einer Geschichte zu garantieren, hängt an der Authentizität und Glaubwürdigkeit der Persönlichkeit, die sie erzählt. Um Nutzer für Inhalte zu engagieren und sich mit Communities zu vernetzen, müssen Storyteller ihre Inhalte vermarkten, das heißt, eine Distributionsstrategie über eine lange Zeitachse und auf crossmedialen Plattformen aktivieren, für die sie ihre Story von Anfang an als ein komplexes Produkttableau mit multiplen Storyelementen entwickeln. Dazu gehört die Schlüsselkompetenz, zu wissen, wann welches Storyelement auf welcher Plattform funktioniert und mit welcher Technologie bzw. welchen Tools dafür optimal produziert werden kann. Das Vertrauen, das Nutzer mit ihrem Engagement und ihrer Interaktion einem Storyteller und Influencer geben, muss verdient und über lange Zeit transparent und nachhaltig aufgebaut werden. Als Ich-Erzähler und Selfie-Journalisten im positiven Sinne garantieren Storyteller in Journalismus und Marketing die Glaubwürdigkeit und Konsistenz ihrer Geschichten in Sozialen Medien mit ihrer digitalen Persönlichkeit und ihrem Social Media Namen.

Daher ist es wenig erstaunlich, dass der Trend zu Live-Formaten und nachhaltiger Kollaboration geht, bei der sich mehrere Influencer für eine Story oder ein Brand engagieren, idealerweise verbunden mit einem sozial guten Zweck und einer Möglichkeit für Nutzer, sich aktiv anzudocken, sei es mit Spenden, Zeit oder anderer materieller Unterstützung. Auf der von mir und meinem Studiengang Online-Medien-Management am 25. November 2016 an der Hochschule der Medien veranstalteten Konferenz “Innovationtelling”, berichtete Fabian Ulitzka, von der innovativen Consulting Agentur “Klickkonzept”, wie sich bei einem Filmprojekt über Schulen in Tansania, dessen Filmcrew von Youtube Influencern begleitet wurde, gleich schon während der “Making-of”-Berichterstattung über eine Million Nutzer engagierten, unter denen die aktivsten sogar eigene NGOs gründeten. Social Entrepreneur und Video-Storyteller Imran Azam, von der englischen Produktionsfirma “Thisisreel”, betont dabei, dass virale Videos und virale Reaktionen nicht zum Ziel von professionellen Storytellern werden sollten. Wer nachhaltig Beziehungen zu seinen Nutzern und Communities aufbauen will, ist vielmehr an interaktiven Konversationen und persönlichen Beziehungen interessiert. Viralität, im Gegensatz dazu, ist nicht planbar und nicht sinnvoll zu handhaben.

Mehr zu diesem Thema und anderen Medien-Trends können Sie in “#Innovationtelling” lesen. Im Frühjahr 2017 erscheint mit “#Innovationtelling’ der erste Band der neuen Reihe “Now Media”, den Marie Elisabeth Müller gemeinsam mit Harald Eichsteller und Devadas Rajaram beim Nomos-Verlag herausgibt.


[1] Tom Goodwin, Executive Vice-President of Innovation, Zenith, in: Opening Speech, Guardian Media Summit 2017. https://www.themediabriefing.com/article/10-media-trends-for-2017-and-beyond  [2] https://www.getrevue.co/journalism-report?utm_content=buffere4683&utm_medium=social&utm_source=twitter.com&utm_campaign=buffer