die Frage: Wie wichtig ist seriöser Journalismus in Krisenzeiten?

28.03.2022
Foto: privat
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„Eine informierte Bevölkerung ist die Basis jeder Demokratie. Nur wenn die Menschen angemessen informiert sind, können sie an den Wahlurnen eine sinnvolle Entscheidung treffen. Es ist die Aufgabe des Journalismus, relevante Inhalte zu recherchieren, zu prüfen, verständlich darzustellen und zu verbreiten. Das gilt auch und besonders in Krisenzeiten. Diese sind von zwei Aspekten geprägt. 

Erstens: Viele Menschen sind verunsichert und suchen zur Bekämpfung ihrer Unsicherheit nach Informationen. Leider sind es oft die plakativen Botschaften und einfachen Lösungen, die populistischen Schuldzuschreibungen und das pauschale Wir-gegen-die-Anderen, die das Gefühl vermitteln, inmitten einer komplexen Welt die Zusammenhänge zu verstehen und die Schuldigen zu erkennen. Differenzierte Aussagen haben es oft schwer. Zweitens: In Krisen werden Konflikte zwischen Interessen oder Lagern besonders hart und konfrontativ ausgetragen. Es gibt genügend skrupellose Akteure, die die Verunsicherung, Gutgläubigkeit und Uninformiertheit vieler Menschen nutzen. Sie verbreiten – besonders im Netz – populistische Botschaften, Halbwahrheiten, Verdrehungen, Fälschungen und glatte Lügen, um die Bevölkerung zu emotionalisieren und auf ihre Seite zu ziehen. Leider schließen sich dem nicht wenige Medien an, um Reichweiten und Klicks zu generieren (Clickbait-Journalismus). Oder, wie im Fall alternativer Medien und Influencer, um den verhassten Mainstream mit allen Mitteln zu bekämpfen.       

Genau hier ist der unabhängige Qualitätsjournalismus gefordert, und zwar nicht nur als verlässliche Informationsquelle. Sondern auch als fairer Schiedsrichter im öffentlichen Meinungskampf, der allen sinnvollen Argumenten Gehör verschafft. Und als Aufklärungsinstanz, die Fake News durch Faktenchecks aufdeckt und Quatsch-Aussagen als das bezeichnet, was sie sind. Qualitätsjournalismus ist aufwändig und macht Medienhäuser heute nicht mehr reich. Doch er ist in einer Zeit der Krisen, Verunsicherung und allgemeinen Verwirrung von eminenter gesellschaftlicher Bedeutung. Umso mehr müssen wir uns alle fragen, wie viel uns unabhängiger, sorgfältig recherchierter und gut gemachter Journalismus Wert ist. Denn eins ist klar: Die klassischen Finanzierungsquellen des Journalismus – Werbung und Verkaufserlöse – reichen bald nicht mehr.“                                 

Prof. Dr. Wolfgang Schweiger, Universität Hohenheim, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft insb. interaktive Medien- und Onlinekommunikation