Wie verändert der digitale Hype das physische Schaffen in der Kreativwirtschaft?

Die Antwort dazu hat Prof. Dr. Martin Engstler von der Hochschule der Medien in Stuttgart.

© HdM

Die Kreativwirtschaft zeichnet sich dadurch aus, wie sie neue (technische) Möglichkeiten in mutiger und zugleich professioneller Weise aufgreift und diese mit Bewährtem kreativ verbindet. Im Bereich des physischen Schaffens erfolgte dies von jeher durch den Einsatz neuer Materialien, Arbeitsmittel oder Verbreitungswege (z. B. vom Gemälde zum Printprodukt).

Das Digitale fügt sich in diese Evolution ein, weist zudem weiteres disruptives Potenzial auf. Davor müssen sich Kreativschaffende jedoch nicht fürchten, denn das Digitale an sich ist längst Teil unserer Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Neue digitale Hypes betreffen vor allem die Gestaltungswerkzeuge, Produktionsformen und -formate, Kommunikationswege und Geschäftsmodelle. Die besondere Herausforderung für Kreativschaffende liegt vor allem darin, dass sich digitale Hypes schneller überholen als analoge. Zudem weisen digitale Tools sehr niederschwellige Einstiegsbarrieren auf und stehen einer großen Zahl von potenziellen Nutzern zur Verfügung, oft sogar kostenfrei. So kann ein Smartphone-Besitzer ohne professionelle Unterstützung bereits akzeptablen Videocontent generieren, optimieren und verbreiten. Ein Autor kann das datentechnisch vorliegende Wissen über generative KI-Tools einfach erschließen und erhält als Ergebnis wohl formulierte Sätze bzw. strukturierte Darstellungen.

Genügt es also für kreative Leistungen wie die Contentproduktion lediglich über gute Toolkompetenzen zu verfügen? Aus meiner Sicht nein. Neues entsteht nicht allein durch das Durchdringen und Perfektionieren des Bestehenden. Es fehlt der kreative Akt. Ein (digitaler) Hype kann ein Impuls für neue kreative Wege und Ergebnisse sein, dies gilt auch für das physische Schaffen bzw. die Symbiose von Analogem und Digitalem. Kreativschaffende werden diese Möglichkeiten unterschiedlich nutzen. Der Kreativität und damit der Kreativwirtschaft sind kaum Grenzen gesetzt. Die wahre Stärke der Kreativwirtschaft besteht auch künftig in der ausgeprägten Innovationskraft, der Neugierde, der Offenheit, der Professionalität und der ausgeprägten Kooperationsfähigkeit ihrer Akteure. Daher waren und sind die Kreativbranchen stets Experimentierende, Vorreiter bzw. Wegbereiter des Neuen. Dies wird von ihnen auch in Zukunft erwartet.