der Appell: Vom notwendigen Wandel der Kreativen

von Christian Schwarm

“Natürlich hat die Werbebranche ein Imageproblem. Zu Recht. Wir haben nämlich den Knall nicht gehört. Immer mehr junge Menschen können sich nicht mehr vorstellen, ihre kritische Intelligenz in den Dienst einer kommerziellen und daher tendenziell unkritischen Kommunikation zu stellen. Und immer mehr junge Werber wissen längst, dass es toller klingt, zu einem Fotoshoot nach Südafrika zu fliegen, als es tatsächlich ist.

Gründer-Boom, Maker-Szene, Self-Publishing … die Autobahn zur Selbstverwirklichung ist breit und, na klar: Viele Berufseinsteiger werden am Ende nicht da landen, wo sie ursprünglich mal hinwollten. Trotzdem taucht das Spielfeld ‘Werbung’ auf ihrer Landkarte der Möglichkeiten erst gar nicht mehr auf. Unser Arbeitsalltag verspricht eher inhaltliche Oberflächlichkeit als intellektuelle Herausforderung. Ja, das Handling der Medien, der Technologien und der Prozesse wird immer anspruchsvoller – ein Kick für Kundenberater. Kreativen Geistern allerdings ging es schon immer stärker um das ‘Was’ als um das ‘Wie’. Und beim ‘Was’ hat Werbung meistens schlechte Karten.

Das kann doch auch nicht unser Ernst sein, dass wir einer Studentin, die die Worte und das Schreiben liebt, aufrichtig empfehlen, in die Werbung zu gehen – wofür denn? Um so wegweisende Imperative wie ‘Entdecken Sie jetzt’, ‘Testen Sie dies’ oder ‘Klicken Sie hier’ zu formulieren? Da soll sie ihr Glück doch lieber im Journalismus suchen oder gleich Schriftstellerin werden. Mehr Geld verdient sie dann vermutlich nicht, aber zufriedener könnte sie sein. Auch so eine gute Erfindung der nachrückenden Generation: Zufriedenheit. Und die Idee, dass der Job was damit zu tun haben könnte. Manchmal mag ich Podiumsdiskussionen. Zum Beispiel mit Journalisten, Wissenschaftlern, Architekten oder Designern. Diese Berufsgruppen haben eines gemeinsam mit uns Werbern: Sie alle müssen mit ihrer Arbeit Geld verdienen. Etwas aber unterscheidet sie auch von uns: Sie führen einen Diskurs. Über ihre Funktion und ihre Rolle in unserer Gesellschaft. Über die soziale und kulturelle Verantwortung ihrer Arbeit. Warum begeistern wir unsere Auftraggeber nicht öfter für das gesellschaftsverändernde Potenzial von Kommunikation?”

aus: Essay “Gern Werber? Ich nicht.” W&V 21/2014, S. 32