die Frage: Ihre Einschätzung und Bewertung des Phänomens „Self-Publishing und E-Book“?

Die Antwort gibt Wolfgang Tischer

“Self-Publishing ist cool geworden und hat nichts mehr mit dem Selbstverlegen früherer Jahre zu tun. Davon konnte man sich in diesem Jahr auch wieder auf der Frankfurter Buchmesse überzeugen, wo es zum dritten Mal eine ‘Self-Publishing Area’ gab. Die Professionalisierung der verlagsunabhängigen Indie-Autorinnen und -Autoren schreitet weiter voran, und es entstehen ganz neue Formen der Leser-und-Autoren-Beziehung. Wenn Self-Publisherinnen auf der Messe ihre Bücher signieren, dann sind oft mehr begeisterte Leserinnen und Fans am Stand als bei manchem Star-Autor. Freilich ist erfolgreiches Self-Publishing derzeit auf unterhaltsame Genres wie Fantasy, Romance oder Krimi beschränkt. Ebenfalls eine Nische gibt es im Sach- und Fachbuchbereich.

Zudem ist die Frage ‘Verlag oder Self-Publishing?’ längst obsolet geworden. Viele Autoren machen mittlerweile beides. Spätestens wenn Verlagsautoren erkennen, dass sie auf diesem Wege vergriffene Titel wieder digital verfügbar machen können, wird dieser Weg interessant. Außerdem haben Verlage wie Droemer Knaur, Bastei-Lübbe oder auch die Random-House-Gruppe längst gemerkt, dass Self-Publishing und Verlag nicht zwingend als Konkurrenz zu sehen sind. Einige Verlage betreiben mittlerweileihre eigenen Self-Publishing-Plattformen. Diese dienen als Talentschmiede, und der Verlag verdient auch an und mit den Autoren, die fürs gedruckte Verlagsprogramm (noch) nicht interessant sind.

Jedoch ist das Phänomen Self-Publishing weiterhin eng mit dem E-Book verbunden. Noch sind Self-Publishing-Titel in den Buchhandlungen die Ausnahme. Doch auch hier experimentieren Verlage und Dienstleister mit neuen Möglichkeiten. So kommen beispielsweise demnächst ausgewählte und verkaufsstarke E-Book-Titel für den Tolino-E-Reader auch gedruckt in die Buchhandlungen der sogenannten ‘Tolino-Allianz’, zu der hier im Süden mittlerweile auch Osiander gehört. Denn die Frage ‘Papierbuch oder E-Book?’ ist längst nur noch ein intellektuelles Spiegelduell. Künftig wird dies die souveräne Leserin von Fall zu Fall und von Buch zu Buch selbst und individuell entscheiden.”

Wolfgang Tischer gibt regelmäßig Self-Publishing-Seminare im Stuttgarter Schriftstellerhaus und ander Hochschule der Medien (HdM).