die Frage: Was erwarten Sie vom “Städtebau der Stuttgarter Schule” in der Zukunft?

Die Antwort gibt Prof. Dr. Klaus Jan Philipp, Leiter des Instituts für Architekturgeschichte der...

“Ich mag Stuttgart, ich liebe den Schlossplatz, ich genieße die räumliche Folge der Plätze und wandere gern auf der Halbhöhe um die Stadt. Es gibt sie, die städtebaulichen Kleinodien, die die Stadt meist den Architekten und Städtebauern vergangener Jahrhunderte verdankt. Der Städtebau der Stuttgarter Schule hat diese Qualitäten seit Beginn des 20. Jahrhunderts erkannt, modern kommentiert und erweitert. Theodor Fischers Idee, die Hanglagen der Topographie folgend kleinkörnig zu bebauen, lässt Stuttgart bis heute als Stadt im Grünen erscheinen. Die Schüler Fischers Paul Bonatz, Paul Schmitthenner und Heinz Wetzel und deren Schüler und Enkelschüler vermittelten den empfindsamen Umgang mit den topographischen Gegebenheiten, durch den Städtebau und Architektur mit der Natur zusammenkommen und sich gegenseitig unterstützen und steigern. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der vom Leitbild der autogerechten Stadt geprägte Wiederaufbau hat die Stadt jedoch zerrissen. Stuttgart ist ein Archipel mit vielen schönen Inseln geworden, die durch brachiale Achsen und vielspurige Autobahnen getrennt ihr insulares Einzelleben führen und sich nicht zu einem urbanen Ganzen verdichten. Eine übergeordnete ganzheitliche Gestaltidee für Stuttgart, die nicht nur auf das spektakuläre Einzelobjekt schaut, sondern das Ganze im Blick hat, ist derzeit nicht vorhanden. Minimalinvasive Eingriffe können da mehr bewirken, als die große städtebauliche Geste. Das zurzeit ‘wiederentstehende’ Hospitalviertel beweist die große Wirksamkeit einer solchen Strategie. Der Städtebau der historischen Stuttgarter Schule kann hier die Leitschnur bilden. Nicht vergessen werden darf jedoch bei der Gestaltidee nicht die Stadt als sozialer Ort und die gesellschaftliche Verantwortlichkeit der Stadtplaner, Städtebauer und Architekten. Ebenso wenig wie Stuttgart zu einem Architektur-Freiluft-Museum mutieren sollte, ebenso wenig darf die Kernstadt nicht zu einem Ghetto der Besserverdienenden werden. Stadt ist nur da, wo die Gegensätze aufeinander stoßen, Leben nur dort, wo junge Menschen und Familien sich wohlfühlen. Nur so wird Stuttgart die lebendige und lebenswerte Stadt bleiben, die ich so gerne mag.”