die Frage: Welche Prozesse und Veränderungen erwarten Sie von einer Internationalen Bauausstellung in der Region Stuttgart?

Die Antwort gibt Martin Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg

Martin Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg (Foto: Joachim E. Röttgers)

“Die sauber „gegliederte Stadt“ der Charta von Athen war mehr eine Idee, als jemals Realität. Nicht das geordnete Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungsformen prägt das Bild unserer Städte, sondern das Aufeinandertreffen gelegentlich unvereinbarer Ansprüche. Die Wirklichkeit überholt kühnste Fantasien: Schrebergarten neben Autobahn, Automobilwerk am Neckarstrand, Wohnen unter der Eisenbahnbrücke – sicher nicht geplant.

In einem Memorandum spricht Werner Durth von der IBA als Markenzeichen „für ein international einzigartiges Instrument erfolgreicher Planungs-, Stadt- und Regionalpolitik“, das, als offenes Experiment angelegt, „Mut zum Risiko“ und Provokation verlangt. Er versteht Kontroversen als wesentliches Element der Planungskultur. Planung kann Gegensätzlichkeit und Unverträglichkeit thematisieren und im günstigsten Fall auf überraschende Weise versöhnen. Kindergärten in Industriebetrieben sind bereits Alltag, warum nicht auch Flanieren auf der Stadtautobahn, Baden am Neckarstrand und Fahrradwege über den Dächern der Stadt?

Die Region Stuttgart hat Erfahrung mit Innovation, Kreativität, aber auch mit kontroversen Debatten über wichtige Projekte. Und: Stuttgart hat einen enormen Anspruch an sich selbst. Es will weltweit führend sein. Die IBA bietet die beste Möglichkeit, diese Vorreiterrolle einzunehmen. Denn es geht nicht nur um die Region Stuttgart selbst. Wir brauchen Antworten auf globale Herausforderungen. Auf dieser Ebene stellen sich die Fragen, ob Städte demokratisch verfasst überhaupt noch planbar sind, und wie öffentliche Infrastruktur hergestellt oder aufrechterhalten werden kann. Deshalb ist die IBA so wichtig. Sie ist ein Katalysator für ambitionierte Stadt-Innovationen. Sie hilft, Pragmatismus zu überwinden, und bringt die Komplexität der gesellschaftlichen Aufgaben ins öffentliche Bewusstsein.

Die IBA Region Stuttgart 2027 thematisiert drei Schlüsselanforderungen an die zukunftsfähige Stadt: Existenzieller Wohlstand für alle als zentrale Gerechtigkeitsfrage, Sicherheit und Partizipation als zivilisatorische Errungenschaften und das Verhältnis von Stadt, Landschaft und Dichte – das Gestaltungsthema der IBA schlechthin. Da können wilde Ideen nicht schaden!”

www.iba2027.region-stuttgart.de