die Frage: Wie wird in der Zukunft gebaut werden?

Wir stellen jeden Monat einer Persönlichkeit der Kreativwirtschaft eine Frage zu aktuellen Entwicklungen in ihrer Branche - im Februar: Prof. Drs. Werner Sobek , Architekt, Ingenieur und Autor

© René Müller
„Ich unterstelle, dass die Tatsache der Erderwärmung, deren Ursachen und die durch sie drohenden Folgen für das menschliche Dasein als bekannt und als akzeptiert gelten. Wahrscheinlich gilt dies nicht für die zur Eindämmung der Erderwärmung erforderlichen Maßnahmen und insbesondere deren wahrscheinlich dramatisch werdenden Auswirkungen auf das tägliche Leben. Diese sollen deshalb mit Blick auf das Bauwesen, das in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle spielt, kurz skizziert werden. Drei Themenkomplexe sind dabei besonders relevant: Energiebedarf, getätigte Emissionen und Ressourcenverbrauch einschließlich des dazugehörigen Abfallaufkommens. 
Die seit Jahrzehnten angestrebte Reduktion des Energieverbrauchs von Gebäuden in deren Nutzungsphase ist von geringem Erfolg gekennzeichnet. Erfolgversprechender erscheint das Klimaschutzgesetz, mit dem auch dem Sektor „Gebäude“ eine verbindliche Reduktion der getätigten klimaschädlichen Emissionen bis 2030 um 57 % verordnet wird. Betrachtet man die bestehenden Wohngebäude, dann müssen hierzu pro Jahr mehr als eine Million häuslicher Verbrennungsanlagen ausgebaut und die Wärmeerzeugung auf strombasierte Systeme wie Wärmepumpen umgestellt werden. Der dadurch induzierte Mehrbedarf an Strom fällt zusammen mit einem Mehrbedarf durch Elektromobilität. Die heraufziehende Stromlücke wird durch beides dramatisch verschärft. Da es nicht möglich ist, den Mehrbedarf an Strom durch die bestehenden Netze zu transportieren, wächst damit der Eigenerzeugung von Strom vor Ort durch Integration von Fotovoltaik in unsere Gebäude, entlang von Straßen oder in Grün- und Weideflächen sowie einem klugen Energiemanagement vor Ort eine entscheidende Bedeutung zu. 

Das Klimaschutzgesetz betrifft auf dem Umweg über die Sektoren Energie, Mobilität und Industrie auch die Herstellung, den Umbau und den Rückbau der Gebäude. Eine Reduktion der klimaschädlichen Emissionen bis 2030 um ca. 65 % bedeutet, dass wir, wenn es nicht gelingt, dramatische technologische Veränderungen im Bauwesen herbeizuführen, in 9 Jahren nur noch ein Drittel dessen bauen werden, was wir heute bauen. Schon die Überlegung, dass dies auch die Errichtung der geplanten 400.000 zusätzlichen Wohnungen pro Jahr gefährden würde, zeigt das bestehende gesellschaftliche Konfliktpotenzial auf. Um emissionsarm zu bauen, müssen wir also anders bauen. Und wir müssen mit weniger Ressourcenverbrauch und weniger Abfallerzeugung bauen. Und wir müssen für die Energieversorgung vor Ort selbst etwas tun.“

Prof. Drs. Werner Sobek, Architekt, Ingenieur und Autor von „Non Nobis. Über das Bauen in der Zukunft“