Zu Gast bei „Triqbriq“

08.01.2024
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Die Produktionshalle, eine ehemalige Schreinerei in einem Tübinger Industrieviertel, ist hell und luftig, ein lang gezogener Bau. Lewin Fricke, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des in Stuttgart Feuerbach ansässigen Startups Triqbriq, führt durch die Halle. Vorbei an zwei Produktionsanlagen, in denen Kanthölzer erst gehobelt und dann von Robotern auf Maß gesägt, vorgebohrt, mit Holzdübeln versehen und schließlich zu einem Quader, dem sogenannten „Briq“ zusammengesetzt werden. Dahinter an der Wand sorgsam aufgestapelte Schadholzbalken, die von einem regionalen Sägewerk stammen. Dieses durch Trockenheit, Sturm oder Schädlingsbefall angefallene Holz, sogenanntes Kalamitätsholz, landet in der Regel in der Verbrennung, wo das darin gebundene CO2 wieder freigesetzt wird. Die Gründer Max Wörner, Markus Hildebrand und Timo Preußler haben mit ihrer Firma ein Baukastensystem entwickelt, in dem dieses CO2 dauerhaft gebunden wird. Die Briqs erinnern auf den ersten Blick an große Klemmbausteine und lassen sich auch ähnlich einfach zusammensetzen und verarbeiten. Sie lassen sich ohne künstliche Verbindungsmittel zu Mauern und Wänden zusammensetzen und sind dabei vollständig rückbaubar und wiederverwertbar. Das System ist mit sämtlichen gängigen Bodensystemen und Wandaufbauten kombinierbar. Natürlich am liebsten auch hier nachhaltig und kreislauffähig.

Lewin Fricke begleitet die rasante Entwicklung des Startups von Anfang an mit Herz und Seele. Beim Klettern lernte er Max Wörner und Timo Preußler kennen, die damals beide Industriekletterfirmen betrieben. Er arbeitete viel mit ihnen zusammen, auch an außergewöhnlichen Projekten wie dem Rückbau von Atomkraftwerken oder der Kernsanierung des Bahnhofs in Mönchengladbach. Die Aufträge wurden immer größer und baulastiger. Mit dem Ziel, ganzheitliche und nachhaltige Projekte zu realisieren, gründeten sie dann die Triq GmbH. „Als Kletterer ist man einfach ein naturverbundener Mensch, man verbringt viel Zeit in der Natur und das hat uns alle dazu bewogen, unser tägliches Schaffen wirklich auf einen nachhaltigen Case mit einem guten Purpose zu legen. Genau das ist unsere Motivation“

Sie lernten den Stuttgarter Architekten und Erfinder Werner Grosse kennen, der schon verschiedene Schwach- und Schadholzbausysteme auf den Markt gebracht hat. Sein aktuellstes Patent wurde übernommen und mit Blick auf die serielle Fertigung und die Kreislauffähigkeit optimiert. Die Triqbriq AG wurde gegründet. Das war im Herbst 2021. „Wir haben unsere erste Zulassung nach 7 Monaten bekommen, das ist rekordverdächtig schnell“, so Fricke. Im November 2022 zogen sie in die Produktionshalle ein, der erste Briq lief kurz danach vom Band. Im Juni 2023 wurde das erste mehrstöckige Gebäude in Frankfurt mit Triqbriq realisiert. Innerhalb von sechs Tagen stand der Rohbau. Das Bauunternehmen, das bis dahin noch nie mit Holz gearbeitet hat, war mit dem System dreimal schneller als mit Kalksandstein. In dem inzwischen fertiggestellten Wohnhaus konnten so über 50.000 Kilogramm CO2 dauerhaft gebunden werden.

Bei allem Erfolg, gewisse Hürden gibt es auch für sie zu nehmen. „In einer Branche, die in jeder Phase sagt, das haben wir schon immer so gemacht, einen völlig neuen Ansatz zu fahren und schneller zu sein als alle anderen, das ist eine grundlegende Herausforderung“, meint Fricke. „Da muss viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, Studienergebnisse, Datenblätter gezeigt werden, das zieht sich halt einfach … da würden wir uns häufig wünschen, dass einfach mehr Mut da wäre“ Über mangelnde Nachfrage kann sich das Startup aber nicht beschweren. Inzwischen hat das Unternehmen rund 300 Anfragen laufen, das Berliner landeseigene Wohnungsunternehmen Berlinovo hat eine Musterwohnung mit dem Holzbausystem gebaut und ein bekannter Lebensmitteleinzelhändler möchte einen Supermarkt damit realisieren. Und mit jedem erfolgreichen Projekt wird die Aufklärungsarbeit für das nächste leichter.